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Das Jahr 1984
Durch Rolf Wegässers guten Beziehungen zur Musikschule hatte er dem Klub ab Herbst 1983 einen neuen Gitarristen, den Kamsdorfer
Rony Kerl, verschafft, der sich durch sehr gute Gitarrenkenntnisse auszeichnete und sich auch schnell in die Truppe eingefügt hatte.
Als abzusehen war, daß Ronny zu den Arbeiterfestspielen bereits bei der Armee sein würde, kümmerten sich Ronny und Rolf um Ersatz
und brachten Volker Burkert und wenig später Mirko Kühnert mit. Volker fand sehr schnell Kontakt und seine exzellent gespielte Rock-Gitarre
brachte endlich den Sound, den der Klub so lange gesucht hatte. Thomas, Rolf, Matthias und Udo Klinger (von der Armee zurück und wieder
am Schlagzeug) liefen bei der Intrumentierung der Titel zu Höchstformen auf. Von Jahresbeginn an wurde am Programm für die Arbeiterfest-
spiele geprobt, Migo hatte genügend Texte geliefert und auch Bernd Roth hatte angefangen, Texte zu schreiben.
Ein paar dieser Texte sind zum Glück auch in Papierform erhalten geblieben…
Inhalt des neuen Programms war der Bericht über eine Jugendbrigade des Walzwerkes, die geteilt
werden sollte, weil ein Teil zur neuen Kombinierten Formstahlstraße wechseln sollte. Genau das
geschah zu diesem Zeitpunkt auch in der Realität und der Klub erzählte also nicht eine ausgedach-
te Geschichte, sondern sehr Reales. Fiktiven Brigadetagebucheinträgen und Wandzeitungsartikeln
wurden Lieder zugeordnet, die sehr reale Probleme der Kumpel und des Werkes behandelten.
So z. B. das Problem der "Alten" im Werk oder die Stellung der Frau im Produktionsprozess.
In "Was für einer bist Du?"wurde gefragt, was für ein Mensch ein Leiter sein müsse und in der
"Ablehnung" gefragt, ob Wettbewerb nur ein Schauspiel sein solle, bei dem es um Orden und
Prämien geht. Auch die Jugend-Thematik wurde angesprochen. In einem Lied über Vorurteile
gegenüber Jugendlichen lautete der ursprüngliche Refrain "Wehrt Euch! Ihr seid nicht, wie man
von Euch denkt". Die Aufforderung, sich gegen etwas zu wehren rief beim "Paten" helles Entsetzen
hervor und er riet dem Klub, diese Zeile zu überdenken. Okay, das ging noch. Das zweite Lied zum
Thema Jugend, mit der Aufforderung, sich auf den Hosenboden zu setzen und sich auf die neue
Technik (z.B. Computer) vorzubereiten, wurde gnädig abgenickt. Das dritte „Jugend-Lied“ -
der spätere Knackpunkt des Programms - kannte er zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht....
Im April ab es erst noch einen zweiten Auftritt bei "rund" in Hermsdorf, wo das Fernsehen auch wieder das Bierlied wollte,
aber die "Ermutigung" bekam. Bis Anfang Mai hatte der Klub relative Ruhe vor seinem "Paten". Dann wurde verlangt, daß
alle Gruppen und Ensembles ihre Texte und Lieder bei der Kreisleitung der SED einreichen sollte. Auch der Singeklub
schickte seine Texte ein. Wir hätten klüger sein sollen…
Zur Bezirkswerkstatt in Jena wurde des Programm unter dem neuen Titel „Zuversicht“ vorgestellt - und kam auch sehr gut an.
Seitens der FDJ- BL gab es grünes Licht für die Aufführung zu den Arbeiterfestspielen. Kurz darauf ging es zum Pfingsttreffen
nach Berlin, wo der Klub zwei ziemlich unwichtige Auftritte hatte, für die er jedoch ein ordentliches Honorar bekam.
Danach wurde intensiv weiter für die Arbeiterfestspiele geprobt.
Finaler Triumph und bitteres Ende nach 16 Jahren
Einige Texte aus dem Programm „Überlegungen“ (Version 3)
Das gesamte Programm in seinem Ablauf. Der Film „Zwischen zwei Blöcken“ wurde noch zur
Bezirkswerkstatt gezeigt - zu den Arbeiterfestspielen mußte aus Zeitgründen darauf verzichtet werden
Etwa 8 Tage vor den Arbeiterfestspielen hatte der Klub in den Theatersaal des Kulturhauses zur offiziellen Premiere
vor Betriebs-, Gewerkschafts- undFDJ-Leitung sowie der Öffentlichkeit eingeladen. Zwei Stunden zuvor erschienen
der "Pate" und der Sekretär für Agitation und Propaganda der SED-Kreisleitung hinter der Bühne. Ohne Vorrede
teilten sie dem Klub mit, daß das Sekretariat der SED-KL einen Beschluß gefasst hätte, wonach zwei Lieder aus
dem Programm zu streichen seien. Das eine waren die "Saubermänner" (Es ging darin um Schiebung, Unehrlichkeit
nd andere Dinge), das andere hieß "Offene Fragen".
In dem Lied ging es um eine junge Frau, aus einer Funktionärsfamilie stammend, die nichts mehr von FDJ, Partei
und Staat wissen wollte, deren Freund in die BRD ausgereist war und die sich querstellte, nicht mehr in das sozia-
listische Schema passte. Migo hatte in seinem Text "offene Fragen" angemahnt, die beantwortet werden müßten.
Nicht Verurteilung sei gefordert, sondern Dialog. Damit war er natürlich einen Schritt zu weit gegangen. Offene
Fragen hatte es laut Kreisleitung nicht zu geben - also gab es auch keine.
Sofort begann eine scharfe Diskussion, in der es nur so krachte. Vor allem Bernd, Thomas und Migo legten sich mit
den Funktionären an. Migo hatte irgendwann die Schnauze voll und ließ die Sekretäre mit der Bemerkung „Nich mit
mir..…“ stehen und ging in die Bühnentoilette, um eine zu rauchen. Die Sekretäre beendeten die Diskussion darauf
mit: "Entweder die Lieder fliegen raus oder ihr fahrt nicht zu den Arbeiterfestspielen!" Zunächst einmal fand die
Premiere statt - danach setzte sich Migo ans Telefon und rief in der SED-Bezirksleitung, Abteilung Kultur an, um sich
zu beschweren. Klar, daß sich der zuständige Bezirksfuzzi hinter die SED - KL stellte.
Der nächste Anruf ging in die FDJ-BL zum 1. Sekretär Helmut Kluh und Kultursekretär
Rainer Uhlmann. Diese wiederum stärkten den Klub den Rücken und sagten, wir sollten
vorbeikommen.
Zwei Tage später fuhren Bernd und Migo nach Gera. Man war sich danach einig, daß das
Programm, so wie es zur Werkstatt gelaufen war, auch zu den Arbeiterfestspielen aufgeführt
werden sollte. Auch die 1. Sekretärin der FDJ-Kreisleitung, sonst nicht gerade eine enge
Freundin des Klubs, stand diesmal hinter ihm.
Zwei Tage vor der Abfahrt nach Jena kam es zur letzten Aussprache im Jugendzimmer des
Kulturhauses. Die SED-Kreisleitung rückte drei Mann hoch an und der Agit-Prop-Sekretär
hatte durch gezielte Falschinformation dafür gesorgt, daß einige Leute, darunter Rolf Wegässer
und seine Frau, nicht an der Beratung teilnehmen konnten. Noch immer stand die Forderung,
zwei Lieder raus oder keine Teilnahme. Rainer Uhlmann von der FDJ-BL kämpfte für den Klub
und schließlich wurde vereinbart, daß (zum Ärger der Kreisparteideppen) die Saubermänner
im Programm blieben - die "Offenen Fragen" gestrichen wurden. Wäre der Klub nicht auf den,
aus heutiger Sicht eindeutig faulen, Kompromiß eingegangen, wären die Monate voller Arbeit
umsonst gewesen. Diese Kröte mußte also geschluckt
werden...
Das Programm wurde im Singezentrum der Arbeiterfestspiele, im Kulturzentrum Jena Lobeda, aufgeführt und bekam durch die zen-
trale Beratergruppe, die hier für den Bundesvorstand des FDGB tätig war, sehr gute Kritiken. Zwar meinte man einschränkend, daß
das Programm doch "sehr betriebsspezifisch" sei, was andererseits aber auch von der Verbundenheit des Klubs zum Werk zeuge
und somit zu loben wäre. Auf jeden Fall wurde die ungemein aufwändige inhaltliche Arbeit des Klubs und die künstlerische Umsetzung
anerkannt. Nach einem weiteren Auftritt im Wohngebiet am nächsten Vormittag sollte es zum letzten Auftritt nach Gera gehen.
Migo mußte aber noch zuvor im Kulturhaus in Unterwellenborn anrufen, wie dort eine von ihm organisierte Veranstaltung lief.
Im Jenaer Organistaionsbüro tagte die Beratergruppe gerade über den Vorschlägen für die Vergabe der Goldmedaillen. Irgendwie
hatte niemand etwas gegen Migos Anwesenheit - man kannte sich schließlich lange genug - und so wurde als der Name Maxhütte
fiel, einstimmig für eine Goldmedaille gestimmt. Udo Magister sagte noch augenzwinkernd zu Migo: "Du hast aber nix gehört..."
Doch Migo hatte gehört und verkündete es im Bus auf der Fahrt nach Gera. Große Freude, aber noch immer war es nur ein Vorschlag.
Ob man wirklich eine Medaille hatte, würde sich am nächsten Montag zeigen.
In Gera erwarete den Klub auf dem "Platz der Thälmannpioniere" ein Hexenkessel. Bekannte DDR-Rockgruppen spielten dort und
wurden bejubelt. Dazwischen traten Singeklubs auf, die gnadenlos niedergepfiffen und -gebuht wurden. Das Merkwürdige aber war:
Als der Sprecher den Singeklub der Maxhütte ankündigte, kam Riesenbeifall auf. Der Klub konnte die Anlage und Technik der
Gruppe "WIR" benutzen und "rockte" die einige Tausend zählenden Zuschauer richtig auf. Die Leute auf der Bühne konnten kaum
fassen, was da abging. Man hatte natürlich extra jene Lieder gewählt, von denen man wußte, daß sie "abgehen" würden. Und dann
kam der Momant, als Migo das letzte Lied, es war das "Hüttenwerk" von KuBa, ankündigte und sagte, daß das der letzte öffentliche
Auftritt des Singeklubs gewesen sei und man sich vom Publikum verabschieden wolle. Riesenbeifall das ganze Lied über und
Gänsehaut bei den Sängern und Musikern auf der Bühne….
Das mit dem Abschied vom Publikum war nicht einfach so dahergeredet. Schon seit geraumer Zeit
war man sich im Klub klar darüber geworden, daß man sich an anderen Formen ausprobieren
wollte. Was genau, wußte man noch nicht - man würde es herausfinden wollen. Aber ehe es soweit
war, wollte man sich Zeit lassen. Am Montag nach den Arbeiterfestspielen stand jedenfalls in der
„Volkswacht“ zu lesen, daß sowohl Singeklub als auch Maxhüttenensemble eine Goldmedaille
errungen hatten und vier Tage später holten Bernd und Migo diese in Gera ab. Als Migo von der
Bühne zuseinem Platz zurück ging, konnte er es sich natürlich nicht verkneifen, triumphierend-grin-
send zu dem Tisch zu blicken, an dem die Verteter der SED-Kreisleitung Saalfeld saßen und ihnen
die Urkunde zu zeigen.
Zu Hause gab es für den Singeklub und das Ensemble sowie die Kulturhaus-Mitarbeiter eine Feier
im Kulturhaus Kaulsdorf und für den Klub gab es eine Prämie von 2000,- Mark.
Wenige Tage darauf hatte der Singeklub Familienangehörige, Freunde und Bekannte sowie Vertre-
ter des Betriebes Nachmittags zu einer letzten Aufführung der "Überlegungen" ins Kulturhaus einge-
laden. Anschließend wollte man feten...
Am Vormittag wurde Migo zum Leiter des Kulturhauses gerufen, der ihm mitteilte, daß das Kulturhaus ab Juli
einen Mitarbeiter für ein Vierteljahr an die neue Walzstraße zur "sozialistischen Hilfe" abstellen müsse.
Und es wurde deutlich, daß dieser Mitarbeiter nur Michael Goschütz heißen könne... andere Alternativen kämen
gar nicht in Frage, auch wenn es sie gäbe. In Migo begann es zu kochen...
Den Auftritt machte er noch mit, an der Fete wollte er schon nicht mehr teilnehmen. Seine Frau und der Klub
überredeten ihn schließlich doch, aber er hatte den ganzen Abend über miese Laune und die merkte man ihm
an. Der stellvertretende BGL-Vorsitzende Werner Beck nahm ihn schließlich zur Seite und sagte ihm: "Du bist
hier auf die falschen Leute sauer. Warts ab, wir werden sehen, was wir tun können". So richtig wußte Migo nicht,
was damit gemeint war, aber zunächst blieb er im Kulturhaus.
Ein letztes Mal traf sich der Klub Anfang Juli bei Rolf Wegässer im Garten und fetete bis weit nach Mitternacht.
Mit dem geplanten "Weitermachen in anderer Form" wurde es nichts - organisatorische und personelle Verän-
derungen ließen es nicht zu.
Und so blieb nur noch festzustellen :
Im August 1984 hatte der Singeklub Maxhütte aufgehört, zu existieren.
Film Unterwellenborn
und Jena
Film Gera